Freitag, 20. Februar 2015

Februar 2010


Das ist der Monat, seit dem ich ohne meine beiden großen ChoasKinder lebe. Mittlerweile ist wieder Februar. Fünf Jahre sind vergangen. Fünf.

Zirka vier Wochen habe ich gebraucht, um zu entscheiden, wie es weiter gehen wird. Alle erdenklichen Seiten habe ich bedacht. Durchdacht. In meinem Kopf durchgespielt. Erfühlt. Eventuelle Situationen aus der Vogelperspektive betrachtet. Wenn ich an diese Zeit zurück denke, dann erinnere ich mich an meine Hilflosigkeit. Niemanden gab es, der mir auch nur eine Entscheidung hätte abnehmen können. Und Diese verlangte viel, sehr viel Verantwortung. Denn schließlich ging es nicht um meine Zukunft, sondern um die Zukunft meiner Kinder.

Ich erinnere mich nicht mehr genau an jeden Tag des Januars 2010. Wie auch. Die Zeit war zu traumatisch & ich weiß auch überhaupt nicht mehr, wo ich im Januar überhaupt war. Lebte ich noch mit meinen ChaosKindern zusammen oder war ich in der Woche schon nicht mehr dort? Es macht mich traurig, während des Schreibens zu merken, dass meine Erinnerung an den Verlauf dieser Zeit gänzlich verschwunden ist. Was tat ich wann und welchen Tag? Lag Schnee, waren wir rodeln? Haben wir eine Schneeballschlacht gemacht & noch verstaubte Plätzchen von aus der Zeit vor Weihnachten gegessen? Warum erinnere ich mich nur an das Gefühl, diese Hilflosigkeit? Nicht daran, meine Kinder im Arm gehalten zu haben? Wohin ist der Alltag mit meinen Beiden aus dieser Zeit? Wieder mal wird mir schmerzhaft bewusst, wie schwer das alles war & wie wenig ich diese Gefühlswelt in Worte fassen kann. Eigentlich war ich kaum in der Lage, eine Entscheidung treffen zu können. Wie konnte ich mich so oder so entscheiden? Da arbeitete das Herz gegen den Kopf & dann auch mal der Kopf gegen das Herz. Ich wusste nicht weiter. Bis mir jemand folgende Worte sagte:

"Letztendlich geht es darum, wo die Kinder besser aufgehoben sind."

Dieser Satz brachte endlich eine Entscheidung. Nach vier Wochen innerer Zerrissenheit, Hilflosigkeit & Angst. 

Es entwickelte sich also irgendwie ein neuer Wochenrhythmus: Ich war "jetzt" viel Arbeiten, so wie vorher der Papa. Dies erklärte meine Abwesenheit beim Zubettgehen & beim Aufwachen am nächsten Morgen. Freitags machte ich mich auf den Weg zu meinen Kindern, so konnte ich sie vom Kindergarten abholen. Über das Wochenende blieb ich dort. Ich lebte für kurze Zeit mein Mamasein. Montags Früh brachte ich meine Beiden wieder zum Kindergarten. Danach fuhr ich "nach Hause", hatte aber eigentlich keines.
Den Kindern wurde versucht zu erklären, dass ich in einer anderen Stadt arbeiten muss, da hier in dem kleinen Dorf für mich nichts zu finden sei, wo ich arbeiten & Geld verdienen konnte. Darum müsse ich in der Woche auch dort schlafen, sagte ich ihnen. Aber freitags nach dem Feierabend bin ich wieder bei ihnen, versprach ich & hielt mich an mein Versprechen. Ob diese Begründung meiner Abwesenheit für meine lieben ChaosKinder verständlich war, kann ich nicht nachvollziehen.

Manchmal erscheint mir all das Erlebte wie aus einem Buch, das ich gelesen habe. Oder einem Film, den ich sah. Mir gehen Momente durch den Kopf, finde aber keinen Zusammenhang, habe keine zeitliche Relation. Denke ich an Solche, fühle ich vielmehr als das ich eine lebhafte Situation vor meinen Augen sehe. Es fühlt sich nur, verbildlicht aber nichts. Ob ich dieses Gefühl, welches ich just in diesem Moment beim Schreiben habe, beschreiben kann? Ja. Es fühlt sich an, als würde dieses schwarze Loch in der Brust wieder von Neuem aufreißen. Der Atem wird tief. Das Schlucken schwer. Tief durchatmen, sage ich mir.

Der Geburtstag meines großes ChaosKindes ist ebenfalls im Februar. Er wurde drei zu der Zeit.
Auch daran kann ich mich kaum erinnern. Eine Situation ist mir im Kopf: Da standen alle Gäste in der Wohnküche weil es gar nicht so viele Stühle gab & Kuchen gab es auf die Hand. Gab ja auch keinen ausreichend großen Tisch. Traurig, dass ich nur diese Situation immer wieder im Kopf habe. Die Blicke der "Familie" noch auf mir spüre, die Gedanken förmlich riechen kann. Nur zwei Personen begegneten mir wie eh & je, fast liebevoll. Vielleicht konnten sie meine Situation nachvollziehen. Ich habe nie gefragt. Mein großes ChaosKind hatte einen schönen Geburtstag. Noch nie waren so viele Gäste da. Ich weiß, er hat sehr viel gelacht.

Bin ich abends eigentlich "Heim" gefahren?


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