Sonntag, 1. März 2015

Langer Weg

Im Artikel über das Schwarze Loch versuchte ich zu beschreiben, wie es mir kurz nach meiner Entscheidung ging und dass meine Kinder mich dazu bewogen, aufzustehen. Los zu gehen, um ihnen geben zu können was ich geben konnte.

Vertrauen

Aus meiner Situation heraus von Vertrauen gegenüber meinen ChaosKindern zu reden, erscheint mir fast lächerlich. Kopfschüttelnd. Habe ich ihnen mit meiner Entscheidung doch jenes Vertrauen genommen, dass Mama immer da ist. Vor Ort. Greifbar. Be-greifbar. Könnte ich in ihre kleinen süßen Köpfchen schauen, wüsste ich was damals in ihnen vorging. Oder auch heute. Was es zerstörte in ihren kleinen Seelchen und was sie dadurch nun ihr Leben lang begleiten wird. Aber ich versuchte ja durch diesen Weg, schlimmeres zu verhindern und nicht, ihnen etwas Schlimmes anzutun. Sie können sich heute überhaupt nicht mehr an diese Zeit erinnern, geschweige denn daran, dass wir mal zusammen wohnten. Sie wissen es nicht mehr. Das was sie wissen ist, dass sie bei mir im Bauch waren. Ich versuche mir einzureden, dass sie damals durch ihren Alltag abgelenkt waren. Da war der Kindergarten und all die neuen Freunde, die sie gewonnen hatten. Der Wald direkt vor der Tür. Liebe Nachbarn und natürlich ihr Papa, der alles dafür tat, damit seine Jungs glücklich waren und sind.

Aber wie konnte ich es schaffen, dass die Zwei mir noch vertrauten? Neu vertrauten. Was konnte ich tun?

Ich fuhr jedes Wochenende zu ihnen. Jedes. Anfangs gestaltete sich das sehr aufwendig. Erst mit dem Bus oder zu Fuß zum Zug, mit dem Zug dann zur - von dem Zug - letztbefahrenen Ortschaft und dann mit dem Bus weiter in den Ort, in dem meine beiden ChaosKinder lebten. So geht es auch, wenn man keinen Führerschein hat. Und dadurch, dass ich in den Anfängen wochenends noch dort schlief, ließ sich der zeitliche Aufwand gern übersehen.
Auf diese Weise versuchte ich meinen Kindern also zu zeigen, dass ich dennoch da bin. Dass sie sich darauf verlassen können, dass wir uns jedes Wochenende sehen würden. Natürlich gab es leider auch Wochenenden, an denen wir uns nicht sehen konnten. Zum Beispiel als dann im Jahr 2010 auf einmal so viel Schnee lag, dass die ganze Stadt eingeschneit war. Es war kein Herein- oder Herauskommen möglich. Mit den Öffentlichen schon gar nicht. Da brach diese kleine errungene Welt auf einmal wieder komplett für mich zusammen. Ich kämpfte mit Schuldgefühlen, die eigentlich völlig irrational waren. Ich war ja nicht Frau Holle. Aber dennoch war mir, als hätte ich meine Kinder überaus enttäuscht. "Wiedermal". Dieses bisschen Vertrauen darin wochenends Mama zu sehen, kaputt gemacht. Da war es dann wieder, das Schwarze Loch. Das hielt sich wieder einige Tage, aber das nächste Wochenende kam zum Glück. Bei dem einen Mal blieb es natürlich nicht. Jeder, der Wochenendmama oder -papa ist, weiß das. Und auch heutzutage ist es so, dass mich das schlechte Gewissen überrennt, kann ich einmal nicht da sein oder habe ich das Gefühl, ich würde die Zwei auf eine andere Art und Weise enttäuschen. Es ist sowieso schwierig, nicht ständig in ein schlechtes Gewissen zu verfallen, wenn man so ein MamaKindVerhältnis lebt. Dieses Schwarze Loch, das kommt immer wieder mal vorbei. Manchmal ist es dann kleiner oder größer, je nach dem wie schwer die "Enttäuschung" wiegt.

Dass ich meine ChaosKinder jedes Wochenende sah, das lebten wir über drei Jahre. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass dieser Weg auch nicht der optimale war. Aber alle lebten ihn, als gäbe es keine andere Möglichkeit. Aber dies änderte sich auch. Dann.

Anfangs wie gesagt, war ich jedes Wochenende bei meinen Kindern. Was sich aber änderte, als meine ChaosKinder ihre andere Mama kennenlernten - dieses Thema ist allerdings seinen eigenen Artikel wert. Fast zu selben Zeit, war auch ich in einer neuen Partnerschaft und somit war es für alle Beteiligten überhaupt kein Problem, meine Wochenendschlafgewohnheit zu ändern.
Allerdings auch nicht von jetzt auf gleich. Das sollte für die Kinder fließend von statten gehen (sollte es das oder ging das automatisch..?) und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie unter dieser Veränderung gelitten haben.

Wir wuchsen alle neu dadurch. 

Es änderte sich zum Beispiel auch, dass ich die Kinder nun mit dem Auto abholen konnte, da mein damaliger Partner einen Führerschein besaß. Es eröffneten sich da für die Jungs ganz andere Welten. Es ging fast immer in Wälder, auf Wiesen, Tierparks, ans Wasser, Spielplätze, zu den Großeltern oder Urgroßeltern. Etwas anderes war eigentlich auch nicht wirklich machbar. Langeweile gab es nicht, wir waren immer unterwegs. Jedes Mal ein kleines Abenteuer.
Übernachtungen bei mir fanden nicht statt. Noch lebte ich dazumal in einer WG und das war für meine ChaosKinder einfach nicht schön (genug). Ich hatte ja Ansprüche. Ich wollte meinen ChaosKindern ein Zuhause bieten, mit allem was dazu gehört. Mittagsschläfchen wurden mal in der Wohnung meines damaligen Partners abgehalten oder eben im Auto, weil wir unterwegs waren und abends ging es dann wieder nach Hause zum Papa. So wurden die Wochenenden zwischen mir und dem Papa aufgeteilt. Samstags war Mamatag und sonntags Papatag. Das lebte sich auch ganz gut. Aber reichte mir nicht. Ich war schließlich eine Wochenendmama und keine Samstagsmama. Und so war ich stetig auf dem Weg zu einer eigenen Wohnung. Nachdem sich die finanziellen Schwierigkeiten glätteten und ich (wieder und besser als gar nicht) in einem Callcenter landete, ging es an die Wohnungssuche (oder war da erst die Wohnung und dann das Callcenter oder beides gleichzeitig..?) und die ist hier nicht wirklich schwer, stellt man keine allzu luxuriösen Ansprüche wie ein Fenster im Bad oder eine Wohnung im Erdgeschoss. Platz musste für meine ChaosKinder sein, was heißt pro Baby ein Zimmer - was sich aber im Laufe der Zeit änderte - und einen Hinterhof zum rennen. Nach dem Einzug und anschließender Bespielung der Umgebung, stellte sich benannter Hof allerdings als gar nicht mal so bespielbar heraus. Jedenfalls konnte ich in der Wohnung auf lange Sicht eine schöne Umgebung - ein zweites Zuhause - für meine ChoasKinder schaffen. Und das war es auch..

..ein Zuhause.

Das zu erreichen hat gut ein Jahr und zwei Monate gebraucht. Ob diese Zeitspanne nun wirklich ein so langer Weg war, das mag jeder von euch anders beurteilen. Vielleicht gibt es einige unter euch, denen all das schneller gelang als mir oder eventuell längere Zeit benötigte. Hängt diese Zeitspanne doch mit der Basis zusammen. Ich hatte keine. Fing bei Null an. Am Anfang war da "meine" Couch, dann folgten zwei Jobs gleichzeitig, dann verlor ich wieder beide. Anträge auf Sozialleistungen musste ich dann doch stellen - mein Stolz hätte sonst den Weg zu meinen Kinder versperrt. Dann folgte das nächste Callcenter, was wirklich Glück war, so konnte ich wirklich ein wenig aufbringen, um meinen Kindern wenigstens etwas bieten zu können. Für Unterhaltszahlungen reichte es allerdings immer noch nicht. Aber für ihre eigenen Kinderzimmer, jedenfalls so halb/halb. Ich zog mit meinem damaligen Partner zusammen, sonst hätte ich dieses Wohnwelt für meine ChoasKinder wohl gar nicht schaffen können.

Die Wochenendregelungen regelten wir immer unter uns, ohne Jugendamt. Meist waren wir uns ja einig. Beziehungsweise, musste ich lernen meinen Willen nach hinten zu stellen, um zu "bekommen" was ich mir wünschte. Denn ich wollte ja, dass meine Beiden nun auch mal über Nacht bei mir waren. Ich möchte behaupten, dass das anfangs gar nicht so gewünscht war. Irgendwann jedoch waren sie dann doch über Nacht bei mir. Das traurige daran? Ich kann mich an die allererste Übernachtung überhaupt nicht mehr erinnern. Und ich verstehe absolut nicht, warum. War sie so schrecklich, dass ich sie verdränge? Es müsste doch ein Ereignis gewesen sein, welches mir für alle Zeit im Gedächtnis verankert sein sollte. Oder nicht? Das war doch mein Streben. Gerade kommt mir die Frage in den Sinn, warum ich diese Frage niemals mit meiner Therapeutin besprach. Komme ich wider erwarten noch mal in die Notwendigkeit einer Psychotherapie, fällt mir Diese hoffentlich ein.

Jedenfalls sahen die Wochenenden so aus, dass wir nun wechselten. Samstags Mamatag - das Wochenende darauf mit Übernachtung. Wie lange diese Regelung ging, kann ich gar nicht wirklich beschreiben. Oder wann sie sich wie änderte. Ich weiß es einfach nicht. Manchmal war es ja auch so, dass sich alles verschob wegen Geburtstage von Familienangehörigen, Krankheit oder anderen Gründen. Auf beiden Seiten und meist zur Zufriedenheit aller.

Mir fällt es wirklich schwer, zusammen zu bekommen wie sich alles so entwickelte, wie es die Zeit bis 2013 gelebt wurde. Aber wichtig ist am Ende ja doch, dass ich meine ChaosKinder an den Wochenenden immer über Nacht bei mir hatte. Sofern nichts dazwischen kam. Und es war schön. Einfach nur schön. Auch wenn es manchmal wirklich anstrengend war, denn Kinder sind Kinder wie wir wissen. Und Kinder sind immer anders als wir Erwachsenen. Aber ich war Mama. Fühlte mich nicht als Wochenendmama, nicht für diese kurze Zeit. Ich konnte für meine Jungs kochen und rufen wenn das Essen fertig war. Wir konnten zu Hause spielen und rummölen und dann einfach mal alles liegen lassen, anstatt aufzuräumen. Ich konnte Geschichten vorlesen, wie ich es vorher tat wenn ich meine Kinder ins Bett brachte. Zähne putzen. Umziehen. In Decken Einmurmeln. Kuscheln. Das andere Kuscheltier suchen, obwohl ich schon fast draußen war und schon acht andere Kuscheltiere um den Knirpskopf drapiert waren und dann die Decke nochmal neu murmeln. Gefühlte unzählige Male GuteNachtKüsschen geben. Noch "mal schnell" die Füße massieren oder den Rücken kraulen. Die Tür einen Spalt offen lassen und abends nachschauen, ob die Wusel noch zugedeckt sind. Ich konnte wieder unser GuteNachtLied singen. Irgendwann konnten wir es dann zu dritt singen und singen es heute noch so. Manchmal zu dritt nur für uns allein oder auch zu dritt für unser Löwenbaby. Und morgens gab es Frühstück und beschmierte Schnuten. Und die sind heutzutage noch beschmiert.

Manche Dinge ändern sich nie ♥



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